Margaret Kennedy: Das Fest

  Wer überlebt? Und wer nicht?

 

Wer auf der Suche nach einer äußerst unterhaltsamen und trotz eines tragischen Ereignisses vergnüglichen, jedoch keinesfalls flachen Lektüre ist, dem möchte ich wärmstens einen modernen Klassiker der englischen Autorin Margaret Kennedy (1896 – 1967) empfehlen. Der Schöffling Verlag hat ihren neunten Roman Das Fest aus dem Jahr 1950 mit einem wunderschön passenden Cover veröffentlicht, für mich eine großartige Entdeckung.

Das Unglück
Bereits im Epilog erfahren wir von einer Tragödie, die sich im Sommer 1947 in einem Küstenstädtchen in Cornwall ereignet hat. Herabstürzende Klippen haben ein Hotel unter sich begraben samt allen, die sich zum Zeitpunkt des Unglücks darin aufhielten, obwohl es rechtzeitig eine Warnung gegeben hatte. Glück im Unglück war das zeitgleich stattfindende titelgebende Fest außerhalb des Unglücksbereichs, ein Picknick, dessen Teilnehmerinnen und Teilnehmerin körperlich unversehrt blieben. Nur von einem Opfer erfahren wir bereits an dieser Stelle, aber wer sind die anderen? Wieviele der 23 Personen, Hotelgäste, Besitzerfamilie und Angestellte, sind umgekommen?

© Hintergrundbild: M. Busch, Collage: B. Busch

Literarisches Rätselraten
Es braucht Geduld, um dies zu erfahren, denn Margaret Kennedy spannt ihr Publikum bei vielen von ihnen bis zu den letzten Seiten auf die Folter, lässt sie ihre Pläne ändern und bringt Zufälle ins Spiel. Diese krimihafte Spannung einerseits und die eigene, moralisch nicht ganz einwandfreie Positionierung – wer soll überleben, wen soll das grausame Schicksal ereilen? – machen einen großen Teil des Lesevergnügens aus. Ein anderer Teil besteht in der Beschreibung der denkwürdigen und eigenwilligen Charaktere und der lebensverändernden Entwicklungen, die einige von ihnen in der dem Unglück vorausgehenden Woche durchmachen. Diese sieben Tage von Samstag bis zum Fest- und Katastrophen-Freitag bilden in sieben mit den Wochentagen überschriebenen Kapiteln den Hauptteil des Romans. Andere Figuren wiederum, insbesondere Mütter und Väter, sind charakterlich untragbar und völlig erstarrt, sieben lassen sich gar mühelos als Verkörperung der sieben Todsünden Hochmut, Habgier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit identifizieren. Aber da das Leben bekanntermaßen nicht fair ist, gibt es keine Überlebensgarantie für die Fleißigen, Hilfsbereiten, Selbstlosen, Freundlichen, Friedfertigen und Großzügigen, die man so gerne gerettet sähe – oder doch?

Ein bunter Haufen
Die Gäste, die sich im malerisch gelegenen, etwas heruntergekommenen Hotel Pendizack, dem aus Geldnot umfunktionierten Familiensitz der ebenfalls anwesenden Siddals, ein Bad teilen und manchmal mehr schlecht als recht miteinander auskommen, sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen, ebenso wie die drei Angestellten. Sieben Kinder aus zwei Familien sind unter ihnen. Das Verhalten ihnen gegenüber wird am Ende ausschlaggebend für Tod oder Überleben sein.

So geht gehaltvolle Unterhaltungsliteratur
Dass man jederzeit den Überblick über die illustre Schar behält, ist ein großes Verdienst der Autorin, ebenso wie ihre sprachliche Gewandtheit, ihre leichte Hand und feine Ironie. Bedauert habe ich nur die unnötig gehäuften Druckfehler, über die ich jedoch dank des präzise durchdachten Handlungsaufbaus, der abwechslungsreichen Erzählweise mit eingebauten Briefen, Tagebucheinträgen, einer Predigt, inneren Monologen, vielen Dialogen und Streitgesprächen zur politischen und wirtschaftlichen Situation im Nachkriegsengland mit den daraus resultierenden Nöten und gesellschaftlichen Umbrüchen hinwegsehen konnte. Kein Wunder also, dass ich diese Mischung aus Moralgeschichte, Gesellschaftskomödie, Nachkriegstragödie und Familienroman von Beginn an kaum noch aus der Hand legen konnte.

Bitte weitere Übersetzungen von Margaret Kennedy!

Margaret Kennedy: Das Fest. Aus dem Englischen von Mirjam Madlung. Schöffling 2023
www.schoeffling.de

2 Kommentare

  1. Ein herrliches Buch!. Bin noch mittendrin und werde es bis zum Ende nicht aus der Hand legen. Agatha Christi hat hier unzweifelhaft Konkurrenz bekommen. Ich muss schnell weiterlesen.. .

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert